Wenn deine Lust am Fotografieren allein davon abhängig ist, dass sich junge
Mädchen für dich ausziehen, du beim Sonnenuntergang auf den Eifelturm
steigen kannst, Kinder dir ihr Lächeln schenken, du dir teure Fotoapparate
leisten kannst und du die Technik der HDR beherrscht, dann bist du ein armer
Tropf. Immer gibt es spektakulärere Bilder und deine
aufmerksamkeitshaschenden eyecandies (Zuckerwerke für die Augen) haben sich
schneller verbraucht als deine Kamera an Wert verliert.
Die Welt ist voll von diesen Bildern, die den Betrachter abstumpfen und
letztlich erblinden lassen. Die einen resignieren, die anderen beteiligen
sich an dieser dummdreisten Verschmutzung der Welt.
Das ist die dunkle Macht, gegen die es anzutreten gilt.
Oft nehme ich meine Kamera in die Hand und glaube ich kann nicht. Dann muss
ich mich einsingen und ich beginne die mich umgebende Welt unter
fotografischen Gesichtspunkten wahrzunehmen. Ich spüre, wie sich mein Geist
konzentriert, wie sich meine Empfindlichkeit und Aufmerksamkeit steigern.
Mein Blick weitet sich und ich höre auf, die mich störenden Dinge
auszublenden. Alles gehört dazu. Ich bewege mich auf einer anderen
Bewusstseinsebene - über meiner persönlichen Erfahrungsebene, aus der mich
Gedanken an die richtige Blendenwahl, Bedeutung der abgelichteten Objekte
und ihre Wirkung und vielem anderem mehr erreichen.
Es fällt mir dann manchmal schwer, die Kamera wieder weg zu packen. Aber es
muss sein.
Oft spüre ich nach solchen Sessions eine Erschöpfung. Aber es ist eine
glückliche: ich habe eine Übungseinheit absolviert.
Beim späteren Betrachten der Ergebnisse spüre ich den Trainingseffekt. Meine
Fähigkeit das Wesen eines Bildes zu erkennen, hat sich merklich gesteigert.
Die Beurteilung von Originalität und Komposition fallen leichter. Neue
Begriffe verankern sich in meinem Kopf.
Ich fotografiere nicht, um jemanden mit meinen Motiven oder meinen
technischen Möglichkeiten zu beeindrucken, sondern einfach weil es eine Lust
ist, im Sucher einer Kamera die Welt zu entdecken.