Selbstportrait

  • Zu diesem Bild:



    wurde angemerkt, es sei zu verwackelt und normal. – Schade!
    Schade dass ihr keinen Blick dafür habt – oder einfach nur einen anderen Blick.
    Nun gut, dass wußte ich vorher. Hab Markus mal einen Link zu einem FC Fotografen geschickt, als er nach einem Praktikum suchte. Als er damit nichts anzufangen wußte, war mir klar, dass aus ihm niemals ein Fotokünstler wird. Jemand, der nicht einfach nur etwas ablichtet, sondern der sich mit seinen Bildern ausdrücken kann.


    Vielleicht täusche ich mich aber auch über euer Entwicklungspotential und ich will euch auch nicht verärgern – deshalb einfach ein paar Anmerkungen, die euch möglicherweise zu diesem Bild führen:


    1. 50mm Festbrennweite, ISO 800, 1/30s, F 1.4, Bildstabilisierung, Entrauschung, Schärfung: Das ist keine Verwackelung, sondern einfach nur ein Spiegelbild in einer doppelglasigen Fensterscheibe.


    2. Wesentliche Bildelemente: Neongrün, Blutrot verbunden durch silbernes Metall. Schärfeebene. Eingerahmte Bäumchen (Gestryp) im Hintergrund. Die Verteilung der Formen und Farben. Mein Gefühl: alles sitzt am richtigen Platz. Ein Foto, so wie ich es malen würde.


    3. Es gibt eine Richtung in der Fotografie, die versucht mit banalen Bildelementen, Bilder wie (Jazz)Musik zu komponieren. Alles steht in Beziehung. Licht, Formen, Farben, Bedeutungen. Räume können verdichtet, eingerahmt, offen sein. Alles wirkt auf die Empfindung des Betrachters ein. Bildelemente können sich verstärken oder aufheben. Spannung, Harmonie, Disharmonie können entstehen. Wirklichkeit auf einer neuen Ebene erlebt werden. – ich habe das nicht gewußt, als ich vor einem Jahr anfing zu fotografieren – aber jetzt fotografiere ich banale Dinge – und es ist eine Wohltat.


    4. Persönliche Assoziationen: Leonard Cohen mit schwarzem Anzug und Fotoapparat. Leonardo Da Vinci: Das letzte Abendmahl. Edward Hopper,Gottfried Helnwein: Nighthawks.


    5. So sehr ich 3. mag, aber ich brauche menschen/gestalten als identifikationsträger auf meinen bildern. ich möchte bilder, die vom direkten eindruck eines menschen, einer haltung beeinflußt werden. keine reine instrumentalmusik sondern bilder die von der stimme eines menschen leben.


    6. ich fotografiere – und niemand nimmt Notiz. drei unterschiedliche Blickrichtungen. ein kommunikationsloses Nebeneinander von Menschlichkeit in einer gestylten Welt.
    ist es das? Nein!
    eine silberne Stange und eine schärfebene verbindet uns.
    und ich ahne es ist mehr.
    es ist
    ein wunderbares bild.
    eine umarmung.
    eine fotografie.


    ich werde keine weiteren erklärungen abgeben.

    edit MB-Photo: Bild in Text verlinkt

  • Das Problem an vielen künstlerischen Werken, egal ob Malerei oder Fotografie, ist, die zum Teil falsche Interpretation des Bildes durch den Betrachter.


    Nun man kann sicherlich nicht sofort die Gedanken des Fotografen zur Entstehung des Bildes ohne ein paar erklärende Zeilen nachvollziehen.


    Sicher, wenn man nun die 6 Stichpunkte liest, schaut man wesentlich öfters auf das Bild (mir geht es jedenfalls so) und stempelt es nicht mehr als Fehlaufnahme ab.

  • hm, ich denke, kunst ist das bild noch nicht. ich finde es auch vermessen, von sich selbst zu behaupten, man macht kunst, das zieht das bild irgendwie ins lächerliche.


    was zeichnet kunst eigentlich aus? kunst gehört nicht ins internet, sondern in eine galerie. wie soll ich bei so einem kleinen pixelbild sehen können, was ich sehen soll? geht nich, sorry :)

  • Pseudografin: Ich gebe Dir völlig Recht, ich habe auch bei längerer Betrachtung und dem Lesen von Geranos Begründung immer noch Schwierigkeiten mit der Interpretation ... *grübel*


    Aber alles in allem trifft das Bild nicht meinen Geschmack ...

  • also ob dieses bild kunst ist , ist mir völlig egal, dass habe ich auch nicht behauptet. wichtig war mir bei meiner anmerkung nur, dass verstanden/nachvollzogen wird, dass dieses bild mehr ist, als ein verwackeltes banalbild.
    und das ist es zweifellos.


    ansonsten: kunst muß nicht verstanden, sondern empfunden werden. kunst gehört ins internet – unbedingt – denn auch hier kann sie eine bereicherung sein! wer kunst nur in galerien sehen kann, hat einen völlig falschen ansatz. ob kunst davon abhängig ist, dass man sehen kann was man sehen soll? Das glaub ich nicht!


    für mich ist es eigentlich ganz einfach. ich frage nicht nach kunst. habe ich bei einem bild das gefühl einer bereicherung, dann ist es gut. hängt es in hundert jahren im museum und vermittelt immer noch jemand das gefühl der bereicherung, dann ist es ein wunder.


    ich sehe höhlenmalereien. weiß um die situation des malers oder glaube zu wissen. versuche mich in ihn hineinzuversetzen. empfinde seine befreiung. seine magie, die bedrohung an die felsen zu bannen. seine schaffenskraft.


    seine schaffenskraft – sie bereichert mich noch heute.


    einen handwerker dagegen – werden diese "Kinderbilder" kaum beeindrucken. er sieht nur, ob die normen eingehalten sind.


    für ihn drückt sich nichts aus.


    +++++++++++++++++++++++++


    ich brech das jetzt mal ab,
    wird mir einfach zu schwer meine Gedanken zu sortieren.

  • tut mir leid für dich, gerano.


    ich bin auch manchmal traurig, wenn meine lieblingsbilder nicht gut ankommen, aber ich kann damit leben. weil ich nicht für andere fotografiere, sondern für mich (und die evtl. abgebildete person, der das werk dann möglichst auch zusagen sollte). insofern kann ich mit der ignoranz der betrachter durchaus leben.


    und für mich gehören fotos immer noch auf papier und an die wand, weil es dorthin nur die wirklich guten schaffen (sollten). und dann am besten in einer ausstellung, die zum betrachten und verweilen einlädt, ein ruhepol fern des computers, an dem wir täglich so viele stunden verbringen. bilder auf papier lernt man schätzen, wenn man täglich internetbilddateien zu gesicht bekommt. farben, formen, schärfe, unschärfe - das alles wird auf dem papier zur wirklichkeit. von den tonwerten ganz zu schweigen. ich liebe fotos.

  • sicher katja, filme gehören in`s kino und fotos auf`s papier! Da ist schon was dran.


    wenn ich ich die gleichen Fotos in der Arbeit auf einem Röhrenmonitor betrachte oder zuhause auf dem TFT wird mir jedesmal klar, was für ein Blödsinn es ist, Fotos im Internet zu zeigen. die Unterschiede bei der Schärfe, der Leuchtkraft der Farben und dem Kontrast sind so groß, dass man sich eigentlich über unterschiedliche Bilder unterhält.


    das ist aber im Grunde nichts Neues. Wie oft war ich früher von Dias begeistert und dann von ihren Papierabzügen enttäuscht. Manche Bilder sind davon mehr betroffen als andere. Vermutlich habe ich dies bei dem obigen Bild nicht beachtet.


    Gleichwohl muß ich sagen, dass ich froh bin, Fotos im Internet zu sehen. Auch wenn es nur ein kleines Guckloch ist, durch das ich sie betrachten kann: sie vermitteln trotzdem einen Eindruck von Schaffenskraft, von Kreativität, von Möglichkeiten und von Persönlichkeit. Vieles was ich im letzten Jahr im Internet sah, hat mich wirklich bereichert und dazu gehören auch einige Aufnahmen von dir. Wenn mich Bilder beschäftigen und inspirieren – ist es dann nicht egal, wo ich sie sehe? Muß ich sie dazu wirklich so sehen können wie du?


    Und selbst wenn wir Bilder auf Papier in der Galerie betrachten würden – würden wir trotzdem nicht das Gleiche sehen. Das hat nicht nur etwas mit meiner Farbschwäche zu tun, sondern auch mit unterschiedlichen Empfindungen, Erfahrungen und Assoziationen.


    Wenn man Nachts allein in einem dunkelen Raum ein Bild auf einem strahlenden Monitor betrachtet, dann wird dieses Bild anders wirken, als tagsüber in einer Galerie, die von Leuten wimmelt und wo viele Eindrücke miteinander konkurieren.


    Vor deinem nackten Mädchen in maroden Mauern in einer Galerie zu stehen, wäre mir peinlich. Es im Internet zu betrachten, gibt mir die Möglichkeit es in Ruhe zu betrachten und mich damit auseinander zu setzen.


    ich weiß, viele sind stolz auf ihre handwerkskunst und ihre gerätschaften. stolz auf die attraktivität ihrer motive und das ganze auf papier bringen zu können. Und das hat vermutlich auch alles seine Berechtigung. Nur das sind Dinge, die mich beim Betrachten nicht bereichern, sondern höchstens einschüchtern können.


    40*50cm in perfekter Qualität auf Papier gebracht ist Handwerk.Aber 800*600pixel kann Kunst sein, die jemanden bewegt.


    abschließend noch eine überlegung zu dem satz "tut mir leid für dich, gerano."
    das ist nicht nötig.
    hab an anderer Stelle Anmerkungen zu dem Bild bekommen, die meine Empfindung teilen. Anmerkungen von Leuten, deren Bildersinn ich bewundere. Das reicht mir für das Gefühl einer Bestätigung. Und selbst wenn es nicht so wäre: ich sehe mich auf diesem Bild im Zentrum sitzen, beschäftigt mit Motiven die ich gerne fotografiere. Jünger und cooler, als ich mich meistens empfinde und ich denke: ja so is es – so will ich mich an diese Zeit erinnern.


    ich wünschte, ich könnte von euch auch ein solches Bild sehen.