"Bilder von häßlichen Menschen will niemand sehen"

  • Aus einer Bilderbesprechung:


    Gerano Eintrag von 14.09.2010 um 09:58 Uhr:
    deine bilder wirken vor allem durch die attraktivität der modelle und ihr agieren vor deiner kamera. beides keine punkte, die du dir als leistung anrechnen kannst.
    aber immerhin ganz ansehnliche bilder ...



    Dingsknipser Eintrag von 14.09.2010 um 19:13 Uhr:
    Zitat:"wirken vor allem durch die attraktivität der modelle und ihr agieren vor deiner kamera"
    Ist das nicht eigentlich immer so?
    Mit einem häßlichen Modell kann der Fotograf sich abstrampeln wie er will: die Bilder will letztlich auch keiner sehen...



    Styxn Eintrag von 14.09.2010 um 20:28 Uhr:
    am liebsten würde ich jetzt ne diskussion starten @ hässliches modell... ich glaube jedes modell kann ansehnlich in szene gesetzt werden, so dass es menschen gibt, die das foto ansehen wollen. aber hier in der galerie ist nicht der richtige platz dafür...

  • Den Satz kann ich nicht zustimmen.


    Erstmal ist das Empfinden von schön oder hässlich rein subjektiv.
    Oftmals werden ja welche als schön bezeichnet, die unserer Vorstellung von perfekt am ehesten entsprechen. Ja, und diese Vorstellung wird durch die Medien mehr als beeinflusst.
    Ich finde es wesentlich schwieriger einen nicht so perfekten Menschen eher gut in Pose zu setzen als Typen als Model und Co.


    Mal ein Beispiel: In MK oder FC findet man Fotos von mehr als übergewichtigen Frauen.
    Mein erster Eindruck: Pfui!
    Mein zweiter: Alle Achtung für den Mut!


    Warum war mein erster Eindruck so? Weil diese Art von Frau auch nicht meinen ästhetischen Vorstellungen entspricht, aber wieso hab ich dann das Thumbnail angeklickt? Weil es neugierig machte...


    Aha...Meine These: Diese Art von Bildern wird häufiger angeklickt als ein lapidares Standardbild von Frauen mit blondesn Haaren und Beinen bis zum Hintern. Und wieso? Weil es mal was anderes ist. Etwas außergewöhnliches. Etwa der gleiche Effekt entsteht als wenn man auf der Autobahn geradezu mit den Augen auf den Unfall auf der Gegenfahrbahn gezogen wird.
    Und ich gehe jede Wette ein, das es vielen so geht.


    Das war die eine Art von Bildern, auf die dieser Satz nicht zutrifft.


    Ein anderer wäre das sog. Charaktergesicht von z.B. alten Leuten...Wie oft sieht man die uralte Vietnamesin mit Zigarette im Mund, die irgendwo am Straßenrand von Hanoi sitzt?
    Die Frau ist wohl alles andere als schön, aber trotzdem strahlt sie etwas faszinierendes aus.


    Ach, einige bekannte Versandhäuser lassen inszwischen ihre Klamotten von Leuten präsentieren, die keinesfalls Modelmaße haben... wieso?

  • 1. das talent des portrait-fotographen besteht zunächstmal darin, die "schokoladenseite" ,das charakteristische oder das Potential des Menschen zu sehen. Ferner benötigt er zumindest visuelle Erfahrung, die er sich z.B. durch Beschäftigung mit Mode, mit Portraitmalerei etc. erarbeitet haben muss. Dann muss es ihm oder ihr gelingen, dies schlüssig und widerspruchsfrei, technisch einwandfrei umsetzen zu können. Schafft er es dann noch einen Look zu entwickeln, der sich von dem vorhandenen looks abhebt und damit womöglich etwas neues schafft, dann ist er ein meister.


    2. den stylischen hochglanzlook den viele hier so gern auf ihren bildern hätten, ist i.d.R. das Ergebnis von hochgradig arbeitsteiligen Spezialisten. (das ist u.a. auch die erkenntnis dem das lichtbildkombinat folgt)


    3. wie das Modell gegenüber dem Fotographen und seiner Kamera agiert ist sehr stark von deren Verhältnis, deren Erfahrungen und Fähigkeiten abhängig. Z.B. posieren meine Töchter untereinander völlig anders als sie es mir gegenüber täten. die intimität, die fähigkeit aus sich herauszugehen besteht häufig nur gegenüber bestimmten menschen...
    durch die veröffentlichte fotographie kann dies auch einem betrachter zugänglich gemacht werden, der vielleicht niemals die chance hätte, dass ihn jemand so ansieht. das ist einerseits ungeheuer schön aber andererseits kann dies auch zu einem begehren führen, dass besser nicht geweckt worden wäre.


    4. es gibt viel zuviel bilder von attraktiven menschen. ein monatsthema wie "ein bild von einem mir nahestehenden menschen" wäre mir tausendmal lieber "als das kleine schwarze". gefeiert wird die infantilität und das kribbeln zwischen den beinen.

  • Hier ist eins meiner lieblingsbilder aus Robert Franks Fotobuchklassiker "The Americans" mit einem Zitat, das es sehr schön auf den Punkt bringt: "Er sah etwas in mir, das die meisten Leute nicht sahen.... sahen etwas, das tiefer war...."


    Das Lift Girl


    "He saw in me something that most people didn't see. I have a big smile and a big laugh, and I'm usually pretty funny. So people see one thing in me. And I suspect Robert Frank and Jack Kerouac saw something that was deeper. That only people who were really close to me can see. It's not necessarily loneliness, it's ... dreaminess."


    die alte vietnamesin am strassenrand mit zigarette im mund ist dagegen nur ein faszinierendes klischee. alt, exotisch, lustbetont. auch nur eine sehr oberflächliche betrachtung.

  • Zitat

    Original von Gerano
    4. es gibt viel zuviel bilder von attraktiven menschen. ein monatsthema wie "ein bild von einem mir nahestehenden menschen" wäre mir tausendmal lieber "als das kleine schwarze". gefeiert wird die infantilität und das kribbeln zwischen den beinen.


    wie wäre es, wenn du dich am wettbewerb beteiligst und so die chance hast, das nächste thema festzulegen?


    ansonsten finde ich diese diskussion seltsam. ich fotografiere menschen, die ich sympathisch finde, mit denen ich gut kann. darunter waren schon viele, die nicht dem typischen schönheitsideal entsprechen. ist mir aber egal, wenn ich die leute mag und gern fotografieren möchte.


    von einer erkenntnis im lbk hab ich auch noch nix gemerkt.

  • 1. da muss ich wohl den Satz auf der hompage des lbk: "Synergieen werden genutzt, um fotografisch-technische Grundlagen und gestalterische Sicherheit zu schaffen"
    falsch verstanden haben.
    wahrscheinlich eine zu idealistische vorstellung des lbk gedankens meinerseits.



    2. ich finde die diskusion überhaupt nicht seltsam. Ausgangspunkt ist die These von Dingsknipser: "Mit einem häßlichen Modell kann der Fotograf sich abstrampeln wie er will: die Bilder will letztlich auch keiner sehen..."


    Ich denke an dieser These ist durchaus was dran, wobei es sicherlich nicht um die Frage häßlich/schön gehen sollte, sondern eher um die Frage: ist es vergebliche Liebesmüh Bilder von Menschen herzuzeigen die über weniger Ausstrahlung und Charisma verfügen als andere? Beziehungsweise lohnt es sich Bilder vom "grauen Mäuschen" zu zeigen?


    Wenn man sich z.B. mal die Galerie in der FC anschaut, bekommt man schon den Eindruck, dass für ein Galeriebild ein Mindestmass an optischen Vorzügen zu fordern ist.


    wie ist es z.B. wenn ihr euch in der modellkartei umschaut? nach welchen kriterien sucht ihr euch ein modell aus?


    wäre das siegerbild des letzten monats auch dann sieger geworden, wenn das modell weniger attraktiv gewesen wäre?

  • Oha, da habe ich ja etwas losgetreten....
    Wikipedia sagt: "Hässlichkeit ist ein wertender Begriff für ein als abstoßend angesehenes Merkmal, welches sich bei Personen auf Aussehen und Charakter, aber auch auf Kunstwerke und Gegenstände beziehen kann...Sie wird durch das subjektive Empfinden einer Person, Kultur bzw. durch eine Zeitepoche definiert..."


    Na klar ist Schönheit subjektiv, das steht völlig außer Frage. Und ich werde mir auch nicht anmaßen darüber zu urteilen, was die Allgemeinheit als schön oder als häßlich zu sehen hat. Das kann ich nur für mich selbst.


    Man braucht doch aber nur in diversen Fotoplattformen durch die Portraitabteilungen zu schauen. Bei dem von Markus angesprochenen Typus (blond, schlank, lange Beine, symetrisches Gesicht...und ggf. reichlich Retusche) häufen sich Kommentare wie "tolles Model, tolles Portrait". Bei Abweichungen von dieser Ideallinie veringert sich die Anzahl der Kommentare entsprechend der Schwere der Abweichung. Ein Pickel neben der Nase in der Retusche übersehen? Schon kommt die erste Schelte! Vom Rauchen ein gelbes Lächeln? Das rechte Auge größer als das linke und dazu dünne Haare? Und dann vielleicht noch 30kg zuviel auf der Hüfte? Wumms, das Bild ist unten durch! Es mag tatsächlich einen kleinen Prozentsatz von Betrachtern geben, die derlei Makel ausblenden können. Das sind dann aber wahrscheinlich auch die, die den goldenen Schnitt mit dem Lineal nachmessen, Bilder nur rein sachlich beurteilen und Emotionen dabei völlig außen vor lassen.


    Auch die Eindrücke die Markus beschreibt erscheinen mir bei genauer Betrachtung nichts weiter als ein Alibi.
    Ich zitiere:
    "Mein erster Eindruck: Pfui!
    Mein zweiter: Alle Achtung für den Mut!"
    Markus, wo ist dein dritter Eindruck? Der "Wow, tolles Bild!"-Gedanke. Er kommt in deinen Ausführungen nicht vor. Und wenn du in dich hineinhörst, ist er vermutlich auch gar nicht da. Kann er auch nicht, denn dafür sind wir durch die Medien und das Lemminge-Syndrom viel zu sehr beeinflußt. Und diese Beeinflussung ist durch die ständige Berieslung so stark, daß sie sich bereits im Unterbewußtsein fest eingenistet hat. Sich bewußt davon zu trennen können und wollen die wenigsten.


    Markus, was deine These anbelangt, so würde ich dafür nicht die Hand ins Feuer legen wollen. Wobei, es wäre ein interessantes Experiment:
    Zwei Bilder werden gegenübergestellt. Bild 1 zeigt eine magere, ungepflegte Frau mittleren Alters. Die Haut ist verpickelt. Der Mund ist zu einem Grinsen verzogen, dabei dunkle Zähne und eine riesige Zahnlücke freigebend. Die Haare sind filzig und ungewaschen. Bild 2 zeigt das übliche, was uns heute von Fernsehzeitschriften oder Werbepostern so anlächelt. Beleuchtung, Pose und Schnitt sind bei beiden Bildern identisch. Welches Bild wird wohl mehr Klicks und positives Feedback bekommen? Und ich rede hier nicht von Rundmails von "funny pics" oder wie die so heißen mögen.


    Jaaaa, die Geschicht mit den Versandhäusern... Wenn Versandriesen wie Quelle pleite gehen begreifen auch die letzten, das man eine 50er Konfektionsgröße nicht mit dem Foto eines 36er-Models verkaufen kann. Spätestens bei der Anprobe zu Hause merkt der Kunde/ die Kundin, das es gar nicht mehr so chic wie an dem Püppchen im Katalog oder Online-Shop aussieht. Die Folge sind Rücksendung, Verärgerung und die Erkenntnis, das man so nach und nach immer mehr zur (modischen) Randgruppe wird. Hat also nichts mit Menschenfreundlichkeit zu tun, sondern dient lediglich dem Erhalt von Umsatz und Gewinn.


    Styxn, deiner These "Jedes Modell kann ansehnlich in Szene gesetzt werden, so dass es Menschen gibt, die das Foto ansehen wollen" widerspreche ich ebenfalls. Vorrausgesetzt das du damit nicht meinst, alles was als unschön wahrgenommen werden könnte aus dem Bild zu lassen oder zu verhüllen. Aber ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen. Zeig mir so ein Foto, und zeig mir die Reaktionen anderer darauf...



    Nachtrag: Ich habe diesen Beitrag über den Tag verteilt in meinen Pausen geschrieben und jetzt im Ganzen eingefügt. Nehmt es mir daher bitte nicht übel, wenn sich manches mit bereits geschriebenen hier nun doppelt. Ich wollte euch meinen kompletten Gedankengang nicht vorenthalten...

  • Ich würde ja gerne ein solches foto zeigen... aber ich hatte noch nicht das glück einen derart hässlichen menschen kennen zu lernen :D
    und wenn hätte ich mich nicht getraut diese person zu fragen, ob ich sie aufgrund ihrer hässlichkeit fotografieren darf.


    es kommt irgendwie nicht so gut, wenn man fragt - darf ich dich fotografieren, du bist das hässlichste, was ich kenne...


    jetzt ist auch die frage solls eine mode portrait werden oder ein persönliches portrait. mit der aussage ging ich von einem persönlichen portrait aus.


    mit einem modeportrait will man doch nicht die persönlichkeit des modells zeigen sondern eher eine stimmung für etwas erzeugen. die persönlichkeit des modells ist doch da vollkommen nebensächlich. wie ein abwassserkanal die fäkalien transportiert transportiert das "mode"modell den spirit, die markenbotschaft und sämtlichen scheiß...


    mir gehts mehr um portraits, wie sie jim rakete zum besten gibt. er zeigt menschen - gut in szene gesetzt. als beispiel Jürgen Vogel. wer ernsthaft sagt er entspräche dem schönheitsideal, das von wem auch immer vorgegeben wird - der hat n knickendes optikverhalten ich finds so, wie jim rakete es inszinierte sehr ansehnlich und ich denke viele würden es auch gern ansehen. http://www.gala.de/asset/Image…_Rakete/jim-rakete400.jpg

    Um weitere Kosten zu vermeiden, möchte Ich sie bitten davon abzusehen mir weitere Mahnungen zu schicken.
    Die Wahrheit liegt nicht in mehr Antworten, sondern in weniger Fragen
    oder auf meiner neu gestalteten hp -> www.styxn.de

  • ich hab mich mal in unserer hiesigen portraitsektion umgesehen und kann folgende feststellungen treffen:


    1. die ablichtungen von jungen attraktiven damen sind überproportional im vergleich zu dem was uns hier auf der strasse begegnet.


    2. was die zahl der klicks betrifft, kann ich keinen wesentlichen unterschiede feststellen. lichtbringers hutmann, hpes bartmann oder mein mittelformatjunge halten es locker mit den attraktiven damen gleich.


    fazit: dingsknipsers these scheint unrichtig zu sein. natürlich sieht man sich attraktive modelle gerne an. aber die visuelle kompetenz des fotographen ist zumindest gleichbedeutend für das interesse an einem bild.

  • Zitat

    Original von Gerano


    2. was die zahl der klicks betrifft, kann ich keinen wesentlichen unterschiede feststellen. lichtbringers hutmann, hpes bartmann oder mein mittelformatjunge halten es locker mit den attraktiven damen gleich.


    ich denke, nicht die anzahl der klicks ist entscheidend. vielmehr die reaktionen auf das bild (also kommentare) zeigen wie es ankommt. und ohne mir die bilder angesehen zu haben: keine kommentare sind auch eine meinungsäußerung...
    aber das ist nur meine persönliche meinung. jeder mag sich sein eigenes bild dazu machen ... -*

  • Zitat

    2. was die zahl der klicks betrifft, kann ich keinen wesentlichen unterschiede feststellen.


    Was zu Teil sicher auch daran liegt, dass das Publikum hier alles andere als Durchschnittlich ist. Ich persönlich klick z.B. fast jedes Bild an, das hat aber nicht zu bedeuten dass es mir damit auch gefällt. Ich denke, wenn die Bilder hier einer breiteren Masse, also auch vielen Nicht-Fotografen gezeigt würden, könnte man über die Klicks schon mehr erkennen.


    Zitat

    vielmehr die reaktionen auf das bild (also kommentare) zeigen wie es ankommt

    Auch nicht. Kommentare wie 'gefällt mir' liest man hier doch recht selten. Es gibt viele schöne (was auch immer das bedeutet) Bilder hier ohne Kommentar.
    Ich persönlich schau mir auch gern ein Bild mit schönen Menschen an - aber wenn es darüber hinaus nix weiter 'hat', klick ich es auch sehr schnell wieder weg. Wenn ein Bild außer einem Menschen etwas anderes 'hat' - z.B. durch Linienführung, Farben oder wasweißich was, spielt die Attraktivität der Person keine übergeordnete Rolle mehr. Kommt halt auf's Gesamtkonzept an.

  • Hab mal mit Kristin zusammen ne Rock/Coverband in der GreiGa Berga fotografiert, der Schlagzeuger war so dermaßen unfotogen, nicht hässlich, unfotogen, das er in das ganze Bild der Gruppe nicht reingepasst hat. Es gibt nunmal fotogene und unfotogene Menschen, einzeln kann man die schon irgentwie in Szene setzen aber zusammen wirds leicht zu einer explosiven Mischung.



    MfG Andreas

    Das Leben ist wie ein Histogramm. Mal geht's bergauf, mal geht's bergab. Und nach ner durchzechten Nacht hat man Tonwertabrisse. :D


    Knueppixx-Blog


    Achja und Du siehst heute wieder fantastisch aus!

  • "Bilder von häßlichen Menschen will niemand sehen"



    gerade noch im Ohr gehabt, passt irgendwie...


    Manche Menschen sind so schön,
    da bleibt einem das Herz fast stehn.
    Man staunt und denkt: "Verdammt nochmal,
    sowas von schön ist nicht normal."
    Die meisten Menschen sind nicht schön.
    Sie haben eine Scheiss-Figur.
    Sie haben keinen BMW
    und noch nicht mal Abitur.


    Toten Hosen

    <p><span style="font-size: 10pt"><span style="font-family: comic sans ms">"Politik ist die Kunst, die Menschen so zu bescheissen, dass sie das Gefühl haben, sie hätten sich das schon immer gewünscht."</span></span></p>